Der Brechreiz

 
 
 
 
 
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Herrmann Winkel überquerte mit großen Schuhen und ebensolchen Schritten die Kölner-Bundesallee. Es regnete leicht, eine Besserung nach drei Wochen Wolkenbruch! Herrmann war ein kleiner, breiter Kerl, gegen den Regen besaß er augenscheinlich nur einen Schutz: Einen alten, abgewetzten Schlapphut mit einer weit ausladenden Krempe, die ihm tief ins Gesicht hing. Ansonsten verhalfen ihm kurze, verwaschene Bermudashorts und ein vor Dreck starrendes T-Shirt, mit der Aufschrift "I am a fucker!", zu dem Anschein gekleidet zu sein.

Der Regen wurde wieder stärker, Herrmann begann zu rennen, instinktiv schlug er seinen imaginären Mantelkragen hoch, er rannte ziemlich lange, so ungefähr zehn Minuten, vorbei an Pferden, Kutschen, Bars und wimmernden Leichen.
Sein Brechreiz, der seit seiner Ankunft in dieser toten Stadt sein ständiger Begleiter war, machte sich mit einem deutlichen Hineinkrallen in seiner Magengegend bemerkbar. Verärgert schlug Herrmann seine Kralle weg. Brechreiz heulte auf, sein Gesicht war zu einer unschönen, wilden und schmerzverzerrten Fratze geworden. - "Dafür wirst du bezahlen!", kreischte er. Doch Herrmann Winkel hörte nicht auf ihn, er rannte weg vom Regen, durch die von Leichen angefüllten Straßen.

Brechreiz flitzte Herrmann hinterher und stellte ihm flugs ein Bein, Herrmann taumelte, fiel und das ausgerechnet mit beiden Augen auf einige vom Boden ragende Menschenrippen. Tot war er!

Also: Ignoriere nie den Brechreiz!


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